Miriam Koch, Karriere-Expertin von Karriere.ch und Inhaberin von Menschensache gibt Tipps für erfolgreiche Lohnverhandlungen.
1. Was sind Ihrer Erfahrung nach die größten Fehler von Berufsanfängern (und auch Berufserfahrenen) in Gehaltsverhandlungen?
Der erste Hauptfehler ist keine oder eine zu vage Analyse der aktuellen IST-Situation bezüglich Erfahrungen, Weiterbildungen, Erfolge sowie Fach- und Sozialkompetenzen, ausgerichtet auf das Ziel der Verhandlung: Weshalb die Gehaltsverhandlung, was soll erreicht werden? Unabhängig davon, ob eine Lohnerhöhung angestrebt oder der Lohn im Vorstellungsgespräch thematisiert wird, ist es von Vorteil sich vorher zu informieren, ob der Lohn mit der aktuellen Funktion übereinstimmt. Entsprechende Tools im Internet, Personalvermittlungsbüros oder die Personalabteilung, eventuell auch Arbeitskollegen, können Informationen dazu geben. Die meisten Lohnsysteme sind nach Funktion (Aufgaben/Verantwortung/Kompetenzen) definiert, häufig in Lohnbandbreiten mit einem Minimal- und Maximallohn, je nach Erfahrung/Alter, ob Mitarbeiter- oder Kaderstufe. Wichtig ist also, dass man sich bewusst ist, für welche Funktion man den Lohn erhält.
Der zweite Hauptfehler ist fehlender Mut zur Frage. Viele Firmen fragen bei Gehaltsverhandlungen nach dem aktuellen/letzten Salär. Beim Stellenwechsel in eine andere, höhere Position ist diese Frage eigentlich irrelevant, da mit mehr Verantwortung oder anderen Aufgaben das Salär adäquat sein sollte. Anstatt zu sagen, was man verdient (hat), besser in die Offensive gehen und nach dem budgetierten Lohn für die Position fragen. Dies zeigt ein kompetentes, klares Verhalten. Gute Arbeitgeber mit einem fairen Lohnsystem wissen, welche Lohnbandbreite für die entsprechende Tätigkeit möglich ist.
Der dritte häufige Fehler ist das Wissen, dass nicht nur allein das Gehalt massgebend ist, sondern viele weitere Kriterien, die individuell von der Person selbst abhängen. Sachliche Kriterien wie Arbeitsweg/-zeit, Ferien, Fringe Benefits, Bonus können für eine objektive Aussage monetär als Zahlen aufgelistet und zum Jahressalär addiert werden. Kriterien wie Entwicklungsmöglichkeiten, Weiterführung der Laufbahn, Vorhandensein von Potential, nachweisbare konkrete Erfolge, berufliche Freiheiten, kreatives Arbeiten, ein sympathisches Team, ein guter Vorgesetzter, ein angenehmes Klima etc. sind so genannte weiche Faktoren, die bei Kompromissen oder Schlussentscheiden eine Rolle spielen; sowohl von Arbeitnehmer/in ("Der Job gefällt mir") als auch von Arbeitgebern ("Dies ist die richtige Person für den Job").
2. Welche Argumente empfehlen sich für Einsteiger/Hochschulabsolventen, die noch nicht auf berufliche Erfolge verweisen können?
Jeder war auf irgend eine Weise erfolgreich: sei es während der Schulzeit/dem Studium bei Vorträgen, Referaten, Semesterarbeiten, Projekten oder Ferienjobs. Eventuell wurde bei Freizeit- oder ehrenamtlichen Tätigkeiten, z.B. bei einem Vereinsanlass aussergewöhnliches geleistet. Hier gilt es, sich diese Erfolge in Erinnerung zu rufen, sie aufzulisten und im Interview als Beispiele bringen. Die für den Job erwarteten Fähigkeiten bezüglich Fach- und Sozialkompetenzen können mit solchen greifbaren Aussagen optimal vermittelt werden. Arbeitgeber analysieren aufgrund von Fragen nach konkreten Erfolgen (oder auch Misserfolgen) in der Vergangenheit das wahrscheinliche Verhalten in der Zukunft. Neben der Fachkompetenz sind bei jungen Leuten vor allem persönliche Kompetenzen wichtig sowie der Eindruck bezüglich Potential.
3. Wie können Angestellte (evt. auch Nachwuchskräfte?) bare und unbare Zusatzleistungen wie Dienstwagen, Dienst-Handy, Altersvorsorge etc. in die Gehaltsverhandlung einbringen? Wäre das eine Art Rückzugsstrategie, falls sich die Forderung nach mehr Gehalt nicht durchsetzen lässt?
Bare Zusatzleistungen können gut als Betrag aufgelistet werden, um möglichst eine vollständige, objektive Beurteilung des Jahresgehaltes zu erhalten. Diese Auflistung dient der sachlichen Diskussion, wo Fakten unterbreitet werden. Unbare Zusatzleistungen können nach Priorität geordnet aufgelistet werden und sind subjektive Argumente, um z.B. dem Vorgesetzten auf eine positive, freundliche Art und Weise vermitteln zu können, dass neben dem Geld auch Anderes wichtig ist. Der Faktor "Mensch" darf bei Gehaltsverhandlungen nicht vergessen werden, da gute Teams den Erfolg einer Firma nachweislich steigern können.
Bezüglich Strategie ist das "A und O" von Verhandlungen die Analyse des Gesprächspartners: Welcher Typ Mensch ist er? Wie argumentiert er in der Regel? Welche Gegenargumente könnte er bringen? Wie ist das Arbeitsverhältnis und der Umgang miteinander? Grundsätzlich signalisiert eine saubere Auflistung der Fakten Bereitschaft für einen sachlichen Dialog zwischen zwei Partnern. Der Vorgesetzte möge Zeit erhalten, seine Sichtweise präsentieren und allenfalls einen Gegenvorschlag unterbreiten zu können. Dieser kann durchaus verschiedene Facetten haben, z.B. Spezialbonus bei erfolgreich eingeführten Produkten, umgesetzten Projekten, Jahresbonus bei Erreichung der gesteckten Ziele, Laufbahnplanung mit stufenweiser Anpassung des Lohnes, Kostenübernahme der nächsten Weiterbildung, usw. Wichtig in solchen Fällen ist, dass Vereinbarungen schriftlich festgehalten und als Bestandteil in den Einzelarbeitsvertrag integriert werden.
Das Thema Lohn ist heikel und bedarf sachlicher Argumente, weil verschiedene Erwartungshaltungen aufeinander treffen: Für den Arbeitgeber bedeutet der Lohn der grösste Kostenfaktor (Kostenminimierung). Für Arbeitnehmer/innen eine angemessene Entschädigung von Wissen, Erfahrungen und Arbeit (Einkommensmaximierung).
Angestellt mögen sich zusätzlich zu Ihrer Forderung überlegen, welche konkrete Beispiele und Zahlen betreffend Kosteneinsparungen, effizienteres Arbeiten etc. sie dem Arbeitgeber geben können, seit sie den Job erledigen. Sieht der Arbeitgeber diesen überdurchschnittlichen Einsatz?
Die Klärung der Lohnfrage ist erfolgreich, wenn beide Parteien zufrieden sind. (win-win Situation)
Hier gibt es einen praktischen Ratgeber zum Thema "Lohnverhandlungen" zum kostenlosen Download.
Freitag, 16. Juli 2010
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